(Für Bretze)
Ach, du möchtest eine Powerfrau werden, Kind? einmal, wenn du erwachsen bist, versteht sich. Ja, glaube mir, viele kleine Mädchen wollen das. Du kannst mir ruhig glauben, ich bin schon ein sehr alter Märchenerzähler, mir sind schon viele Prinzessinnen vorgekommen, die sich dasselbe vornahmen wie du.
Besonders eine Prinzessin hatte mich mit ihrem schlimmen Los beeindruckt. Sobald sie an sich denken könnte, hatte sie sich ganz fest vorgenommen, eine Powerfrau zu werden, und vllt sogar die stärkste Frau der Welt.
Gesagt – getan! würdest du hier meinen. Als Tatfrau, die du bist, meine ich. (Wenigstens nehme ich an, du seiest eine Tatfrau, da du schon eine Powerfrau werden willst: jede Powerfrau muss zugleich auch eine Tatfrau sein. Und jede Tatfrau wie du würde sofort die Aufgabe anpacken.) Da gibt es viel zu tun, also packe ich es besser sofort an, würdest du hier also denken.
Leider aber war unsere Prinzessin keine Tatfrau. Obwohl sie keinesfalls auf den Kopf gefallen war, es also geistig hätte sofort anpacken können, sich zu einer Powerfrau zu entwickeln, tat sie es doch lieber, davon mit offenen Augen in den Tag zu träumen. Sie trainierte also nicht in Richtung einer echten Powerfrau, sondern stellte sich nur vor, wie toll das sein wird, wenn sie eines Tages eine Powerfrau ist und die ganze Welt vor ihr staunend und respektvoll strammsteht und sie total bewundert und liebt.
Jeee! entzückte sie sich dabei: wird das aber toll sein! Da werde ich mir jeden tollen Jungen aussuchen können, denn ich nur haben möchte, und wenn ich will dann sogar alle wilden Kerle und dazu noch Tokyo-Dingsbumms komplett. Wahnsinn!
Ja, und so träumte unsere Möchtegerne-Powerprinzessin in einen Tag hinein, dann in einen zweiten, dann in die zweite Woche, dann schon in den zweiten Monat, zweites Jahr, aus dem wurde schon ein drittes, viertes, fünftes.
Tja, und als unsere Prinzessin dann schon achtzehn war, dann erst bemerkte es mit einem gehörigen Schrecken, dass sie vor lauter Träumereien über ihre Powerfrau-Karriere es irgendwie verpasst hatte, eine zu werden. Nein! ärgert sie sich da schwarz wie das Schwarze Meer. Jetzt bekomme ich natürlich keine tollen Jungs und keine wilden Kerle und schlafe nicht in einem Hotel in Tokio. Jetzt bekomme ich nur so einen, wie meine Mutti, mit dem Frau nicht einmal anständig streiten kann, wo dann anständig lieben.
Nein! Ich Ärmste! Ich bin wirklich ein armes Würstchen. Am liebsten würde ich es jetzt der armen Britney nachmachen, und mir eine Glatze rasieren lassen. Dabei hatte diese Prinzessin absolut dekorative blaue Strähne in ihrem Haar, auf die sie sehr stolz war und nun sollte das alles im Gram weg.
Ja. Jetzt verstehst du sicher, warum mich ihr Schicksal so schwer beeindruckt hatte. Aber davon will ich jetzt nicht reden, ich möchte dich nämlich nicht lange aufhalten, sicher möchtest du, da du schon so viel anzupacken hast, um eine Powerfrau zu werden, sofort damit loslegen. Und solche Einstellung finde ich wirklich bewundernswert. Und um dich bei deiner Konzentration nicht zu stören, will ich dich jetzt mit keinen dummen Märchen mehr langweilen.
Ach, du willst nur noch kurz wissen, was mit jener verträumten Schönheit passierte? Tja, du weiss schon, wie die Märchen so ausgehen: wenn sie nicht gestorben ist, dann lebt sie noch heute.