(Bezieht sich auf den vorigen Eintrag)
Dazu ist mir eine Geschichte eingefallen, die ich noch Anfang der 90-er Jahre schrieb (91-92), als sie gerade begonnen haben, an diesen unmöglichen Gesetzperversionen zu arbeiten und es schon abzusehen war, dass sie da immer brutaler sein werden. Die Geschichte ist ein Teil eines Buches, das unvollendet in einer Rohfassung blieb (was eigentlich schade ist, da sie wirklich Zeug für eine tolle Geschichte hatte). Darin versucht eine frühreife, ausgekochte 13-jährige, die richtig (= tabulos und frei und denkfähig) erzogen würde, einen total desillusionierten erwachsenen Mann rumzukriegen. Der ist ein besonders harter Knochen, und die Lolita ist gezwungen, so richtig über sich selbst hinaus zu wachsen. Und das alles, auf dem Hintergrund einer globalen Klimakatastrophe in der 90% alles Lebens auf dem Planeten ausgelöscht wird. (Das ist so eine heroische Marotte von mir: in jeder Geschichte, die ich schreibe, werden an die 90% Menschen über Jordan geschickt.)
Und hier ist so ein Fragment der Geschichte, in dem die Lolita zur Hochform aufläuft.
Die Geschichte von kleiner Anna ist übrigens authentisch.
Natürlich hatte sie auch früher onaniert, bekannte Ninotschka freimütig – so schamlos war sie. Auf Teufel heraus wollte sie den Alten schockieren… Ihr Vater brachte es ihr bei, wie man es macht, behauptete sie unverschämt. Sie war damals noch ein ganz kleines Kind, beinahe ein Baby, und hatte mit ihm gebadet. Da erzählte er ihr, dass es ihr im Bäuchlein ganz doll kitzlig werden wird, wenn sie dort unten mit dem Fingerchen reibe, und sie rieb fortan wie eine Verrückte; bei jeder Gelegenheit hatte sie so verbissen gerieben, als würde davon ihr Leben abhängen, hatte sich beinahe wund gerieben. Das Reiben sei sozusagen ihr grösstes Hobby…
Ja, und eben dieses ewigen Onanierens wegen, wäre sie nur allzu froh, nicht im 19. Jahrhundert gelebt zu haben. Da hätte man ihr bestimmt die Onanierbandagen angelegt – alle Kids, die es im 19. Jahrhundert nicht schlau genug anstellten und sich beim Onanieren erwischen liessen, bekamen solche Keuschheitsgürtelchen umgeschnallt… Oder man hätte ihr, als besonders hartnäckiger Selbstbefriedigerin, sogar die Klitoris abgeschnippelt. Auch das gab es damals! Ihr Paps erzählte ihr von einer kleinen Tussi, die Anna hiess, und die gegen Ende des 19. Jahrhunderts als besonders berüchtigte Onanistin ihr schamloses Unwesen trieb. Diese schlimme Anna masturbierte dermassen heftig, dass sie davon dunkle Ringe unter Augen bekam, wie das der herbei alarmierte Arzt zu berichten wusste. Nach kurzer Überlegung entschloss er sich, Anna von der Unmoral zu heilen, und er operierte ihr die Klitoris weg. Die Operation war erfolgreich, denn, wie der zufriedene Arzt postoperativ berichtete, gab es keine Rückfälle in die Sünde…
Angesicht der amputierten Klitoris, ist das aber auch kein Wunder, was, Sir? fragte Ninotschka scheinheilig und mit unschuldiger Miene, gab sich ein bisschen traurig – sicher wollte sie damit nur andeuten, wie viel Mitgefühl sie für jene arme, klitorislose Anna aufzubringen vermag. Der Sir liess sich freilich nicht provozieren, er schaute sie weiter kalt und verächtlich und ein bisschen angeekelt an.
Und das passierte vor rund hundert Jahren, Sir. Heute wäre das unvorstellbar. Können Sie sich vorstellen, Sir, dass in weiteren hundert Jahren auch die heutige Verfolgung der Kindersexualität genauso unvorstellbar und barbarisch und brutal erscheinen wird? fragte sie ganz naiv und sehr hartnäckig, weil sie es einfach nicht lassen konnte.