Zum Jahresausklang: Imago / Wir heben ab

Jeder Mensch ist ein Künstler,
ob er nun bei der Müllabfuhr ist,
Krankenpfleger, Arzt, Ingenieur oder Landwirt.
(Joseph Beuys)

Eine Kreation von Michiko Koshio

michikoKoshino

Aus dem Dunkel des Raums eine helle Erscheinung, die vorzutanzen scheint, jedenfalls ist eine fliessende, wellenförmige Bewegung bereits im Schnitt der Kreation angedeutet. Dazu kaum kontrastierend, nur etwas dunkler, lebendiger, Extremitäten. Sie sind durch ausgeklügelte Beleuchtung auf ein Minimum der Fläche reduziert, zudem noch wie symbolisch, wie beredet, in einer Pose arrangiert, die scheinbar an allen vertrauten Formen des menschlichen Körpers vorbeizielt. Man vergisst für einen Augenblick den Menschen in diesem wunderlich schönen Wesen und erinnerte sich eines faszinierenden Insektes.

Aber auch das wäre keine natürliche Kreatur mehr. Die Erscheinung ist eine Eigenwilligkeit, eine (über)menschliche Anmassung, allein zwecks Korrektur der Natur erschaffen – einzig aus dem hybriden Wunsch, etwas besser (= anderes, perfekteres) hinzukriegen, als die Natur es selbst hätte fertig bringen können.

Das ist das, was man WWW nennen könnte. Nein, nicht das Web ist gemeint, sondern das WAHRE Wesen (der heutigen) Welt.

Wohin man auch schaut: überall Anzeichen von Verschiebung der Lebenscharakteristika: aus blossen, aufs Überleben ausgerichtete Arbeit, wird Kunst, wird ein göttliches Spiel mit der Umwelt, mit den Dingen, mit der Technik – auch mit den Menschen… Die Kybernetik und ihre Automatenwelt führen uns nun zur endgültigen Artifizierung der (Human)Existenz – alles (Menschliche) wird zu Kunst (= Übermenschlichkeit). Alle Menschen werden (zwar nicht Brüder, aber sie werden bestimmt alle) Künstler.

*

Der Zweck der Wissenschaft ist Weltvernichtung…
Die Kunst hat die Aufgabe, den Staat zu vernichten…
Die Wissenschaft löst nachher auch die Kunst auf…
(Nietzsche / Nachlass)

In diesem Zusammenhang ist es geschickt, einen grossen Irrtum Nietzsches anzusprechen.

In seinem Nachlass findet sich die Spekulation der Vernichtung der Kunst durch Wissenschaft, was augenscheinlich nicht der Fall ist: heute sehen wir bereits, dass sich selbst Wissenschaft in Kunst zu verwandeln beginnt. Was auch sein muss, da wir, indem wir zunehmend auf Lösungen angewiesen sind, die es im Konzept der Natur nicht gibt, werden wir gezwungen, auf künstlichen (= künstlerischen) Wegen zu ihnen zu kommen.

Der Mensch verwandelt sich in Künstler. Selbst in Zerstörung.

Auch die Explosionsspezialisten, die Hohe Turme, Gebäuden und sonstige Objekte mit Sprengstoff abreissen, gestalten ihre Aktionen möglichst individuell, was heisst kunstvoll, künstlerisch – mit reichem Gedankengängen, um die ganze Aktion, wobei es stets um Kreation von immer neuen Lösungen von immer neuen, immer gewaltigeren Problemen geht.

So sind in dem oberen Zitat nur zwei Behauptungen stichhaltig. Die dritte stimmt nur, wenn die Nominativen ausgetauscht werden, also: die Kunst löst nachher auch die Wissenschaft auf.

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Zum Jahresausklang: Fernsehen für Deppen

Das war schon vor 10 oder mehr Jahren, da mokierte sich Kungfutius über zu viel Werbung in der Glotze mit einer Definition des modernen Pechvogels:

Wer ist heutzutage ein Pechvogel?
Der, der beim Zappen nur Werbung erwischt.

Nach dieser Definition aber sind wir heutzutage grundsätzlich alle Pechvögel. Im Fernsehen nämlich gibt es inzwischen nichts als Werbung.

Werbung läuft nun selbst bei den redaktionellen Beiträgen munter-unverschämt mit. Zuerst gab es nur einen schmalen Balken, der nur sporadisch aufkam. Als sich das Publikum darauf gewohnt hatte, kam der Balken immer öfter, wurde zusätzlich breiter, jetzt ist es keine Seltenheit, dass er schon 20% des Bildschirms ausmacht. Am Anfang lief solche Balken-Werbung (abgesehen von einem Gong, der die Aufmerksamkeit heischte) nur stumm mit, jetzt aber wird es auch laut.

Rufen sie da sofort an! schreit inmitten eines Films, in einer kleinen Pause zwischen den Dialogen, eine Führerstimme das Publikum an. Da bereiten sie scheinbar vor, während die Filme laufen, Verkaufsshows abzuhalten: jedes mal, wenn die Schauspieler sich im Film nichts zu sagen haben, wird der Verkaufsmoderator seine Sprüche runterholen.

Da ist mir ein Blog in Erinnerung, da bezeichnete jemand die unverschlüsselten Programme als `Fernsehen für Armen`. Dieses `Armen` muss man sich aber in einem übertragenen Sinn vorstellen, denn eigentlich hat das mit dem Geld nicht zu tun, sondern mit dem Geist. Treffender wäre also `Fernsehen für Dummen`, denn man muss schon extrem beschränkt sein, um da überhaupt noch von irgendwelchem Fernsehen zu sprechen.

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Zum Jahresausklang: Kungfutius Klimbim

Fragen wir uns nun, zum Jahresausklang, wie solide diese unsere Welt eigentlich ist.

Zum Silvester laufen in den Dritten Programmen Nostalgiestücke aus der Zeit, als Fernsehen etwas Fortschrittliches und äusserst kreativ war, wo es also hinzugucken lohnte. Der WDR zeigt die Fernsehlegende `Klimbim`. Michael Pfleghar und sein Team hatten darin eine einmalig schrille Karikatur der europäischen Kultur geliefert. Die liegt da in den letzten Zügen der Dekadance, ist gerade dabei, sich aufzugeben und sich wie ein Grillhuhn-Phönix direkt aus der eigenen Asche anzupassen, zu amerikanisieren.

Der Klimbim-Erfolg von damals übersteigt jede Vorstellung. Das war ein so genannter `Strassenfeger`, ein Stück Fernsehens, das an dem Sendeabend die Städte in die menschenleere Wüsten verwandelten – alle sassen vor der Glotze.

(Interessanterweise stiegen eben an den Strassenfeger-Abenden die Unfallzahlen im Verkehr. Das kam davon, dass die Verspäteten unter allen Umständen noch pünktlich vor der geliebten Glotze sein wollten, dabei noch in Vorfreude auf das Leckerbissen jegliche Vorsicht vergassen und sinnlos starben. Gab es auf der ansonsten toten Strasse einen Fussgänger, so kam er höchstwahrscheinlich unter die Räder eines der letzten Wagens, die sich da noch bewegten, eines Klimbim-Wahnsinnigen, der mit 120 durch die 30-er Zonen preschte, weil er unbedingt von Anfang an dabei sein wollte.)

Aber es waren auch einmalige Gags, mit Tiefgang und Weitsicht, die das Team da kreierte. Soeben war in diesem WDR-Revival so ein hinterfotziger Gag zu sehen, den man damals eigentlich noch nicht richtig verstehen könnte, weil Pfleghar da eine Tendenz erkennt, die erst heute voll aufgetreten ist. Da sucht Horst Jüssen nach seinen Manschettenknöpfen vor einer Kommode, wo die Steeger die oberste Schublade ausgezogen hatte. Als er sich aufrichtet geht er natürlich mit dem Kopf durch den Boden der Schublade, doch er bemerkt das kaum, weil die Schublade aus Sperrholz ist bei der leisesten Berührung auseinander geht.

Der eigentliche Witz an diesem Gag: damals war Ikea noch so gut wie unbekannt. Die Möbel damals die sind auch nicht mehr so solide wie nach am Anfang des letzten Jahrhunderts gewesen, doch um einiges Solider als die Sperrholz-Schäbigkeiten, die sich heute garantiert in jedem Haushalt finden. So tritt heute, beim Betrachten dieses Gags ein Effekt auf, der damals nicht auftreten könnte: heute denkt bei dem Gag garantiert jeder Zuschauer an irgendein Ikea-Stück aus eigenem Haushalt, das auseinander fällt, sobald man es nur berührt.

Unter dem Adel war alles noch solide, hatte seinen Wert. Da redete man nicht von der Umweltschutz, sondern praktizierte sie: man verschwendete keine Ressourcen auf wertlosen Klimbim aus Sperrholz, mit dem die Amis heute schnelles Geld machen.

Heute ist nix mehr wert, eben weil alle schnelles Geld machen wollen. Heute wird alles aus Sperrholz gemacht. Kein Wunder, dass unsere Welt auseinander fällt.

(Ja. Das war vllt das Geheimnis von Klimbim: Pfleghar und Team ging es nicht ums Geld, sondern um Kunst und Zauber genannt Phantasie, um erschaffen neuer Welten. Keiner von ihnen hatte grosses Geld gemacht, und Pfleghar hatte sich sogar umgebracht.

Er hat vermutlich vorausgesehen, dass die kommende Klimbimwelt in der Wirklichkeit noch viel, viel lächerlicher sein wird, als er das ertragen könnte.)

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Fussball der Politik

EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso sah für unsere Kanzlerin eine interessante Karriere voraus:

– Angela Merkel kann so etwas werden wie der Jürgen Klinsmann der Politik, sagte er in der `Bild am Sonntag`. Die Kanzlerin wird mit `ihrer Energie und ihrem Einsatz positive Impulse geben`, meinte er.

Also, das ist kein Wunder, dass die EU so tief in der Krise steckt, wenn ihr die Menschen vorstehen, die solchen Stuss reden. Zunächst hatte nicht der Klinsmann die positiven Impulse gegeben, sondern die vereinigten Medien, die da richtige Hysterie entfacht haben. Und dann hatte der Grinsiklinsi den Karren noch total in Dreck gebracht, denn der 3. Platz ist das gleiche wie der letzte Platz – der Sieg ist das Einzige, was in unserer Gesellschaft zählt. Und Klinsi ist mit dem Siegesanspruch angetreten. Nur dass man (= Medien, Politik, Promis) nach der Schandepleite mit Italien dann schnell den Ruder umschmiss, denn der enttäuschte Mob bereitete sich schon darauf vor, unberechenbar zu werden und Getto-Aufstand zu wagen.

So ist das vermeintliche Kompliment eigentlich ein Armutszeugnis für die Kanzlerin, denn erreicht sie in der Politik das, was Klinsi im Fussball erreicht hatte, wird das bedeuten, dass Deutschland keine Zukunft hat.

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Religion als grundsätzliche fundamentalistische Gewalt

Man ist als Westler/Christ über den islamischen Fundamentalismus (und seine primitive Scharia) besorgt.

Tja, man ist selbst ein christlicher (= kapitalistischer [= primitiver]) Fundi. Solange wir auf unserem (hinterfotzig)mörderischen Christus Mammon bestehen, so werden sie auf ihrem (selbst)mörderischen Allah bestehen. Und wissen wir mit absoluter Sicherheit, dass sie Heiden sind und Götzen anbeten, so wissen sie ebenso zuversichtlich, dass wir Heiden sind und Götzen anbeten.

Jeder Mensch, der irgendeinen Gott anbetet ist Heide und betet Götzen an!

Das wissen wir alle: nur der eigene Gott ist der richtig wahre Gott.

*

Jede Religion ist mörderisch, weil der (monotheistische) Gott als Allmacht, die er angeblich ist (und die angeblich alles unter Kontrolle hat), logischerweise intolerant sein muss (er muss eben alles unter Kontrolle haben). Darum ist die Geschichte einer jeden Religion ausschliesslich Geschichte von (Massen)Mord & Totschlag. Und auch in Europa werden heute noch Religionskriege ausgetragen, und zwar nicht nur in den wilden Schluchten des Balkans, sondern auch in den angeblich gesitteten Ländern wie etwa Irland.

Und das bedeutet im Klartext: wollen wir tatsächlich den Wahnsinn beenden, der uns zunehmend und immer nachhaltiger regiert, so wird es notwendig sein, die Idee der Religion aufzugeben. Natürlich war die Religiosität ein Segen für die Menschheit: man darf behaupten, dass keine andere Idee den gestrigen Menschen so weit gebracht hatte, wie diese absolute Unterwerfung dieser einer Idee. Man darf die Religion als Computer des Homo Sapiens ansehen; gemeint ist, Religion hatte für den Sapiens die gleiche Bedeutung, wie Computer für uns, die angehenden Superiors, haben wird.

Aber eben darum sind Computer und Religion absolut nicht zu vereinbaren – Religion ist eben der Computer des gestrigen Menschen. Und das Gestern ist in der Zukunft nicht willkommen (es sei denn als Geschichte).

Mag die Religion zu ihrer Glanzzeit, von ihrer Erfindung bis zum Tod des Mittelalters, absolut genial gewesen sein, heute, wo wir uns selbst in superioren (= göttlichen) Künsten versuchen, muss sie ein Störenfried sein, dass selbst die Idee Mensch (und dadurch paradoxerweise auch die Idee Gott [in die sich die Idee Mensch ja eindeutig verwandelt]) nachhaltig bedroht – wie wir das tagtäglich vorgeführt bekommen.

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Das (Eva)Prinzip der Gleichheitsgesellschaft

Da redet man in den letzten Tagen viel von der ehemaligen Tagesschau-Sprecherin Eva Herman, die sich mit einer kühnen These ins Gespräch brachte: sie erklärte die Frauenemanzipation für null und nichtig und empfahl das Weibchen zurück ans Herd und zu den Kindern (und Kirche? – wo bleibt die, Frau Herman?). Na ja, die Empörung der sogenannten emanzipierten Frauen und Schlampen-Gelächter der Schwarzen Alice sind ihr ebenso sicher gewesen wie der verhaltene Applaus der Kirche, Politik und (bestimmter) Medien. Das war natürlich zu erwarten, das lag ja nur an dem Zutritt zum Thema: sieht man die Sache progressiv an, dann ist Frau Herman sozusagen zu Recht blond, während die konservierten konservativen Kräfte für diese unerwartete Schützenhilfe natürlich dankbar sind und die Frau Herman loben.

Was da aber symptomatisch, ist die bekannte Verbissenheit, mit der man seine Position vertritt und jeweils den Andersdenkenden zum Idioten erklärt. Und das ist auch ein ganz dummer Fehler der dämlichen Amis und ihrer noch dämlicher Demokratie: die Gleichheitsgesellschaft. Wenn wir nämlich alle gleich sind, dann müssen wir klar auch alle gleiches Denken, also ist ein jeder, der anders denkt als wir, ein Dummkopf.

Das ist nur dieser Zwang zur Gleichheit der uns keine eigentliche Orientierung erlaubt. Denn das wäre eigentlich das Einfachste an der ganzen Sache, man sollte der Einzelfrau entscheiden lassen, ob sie und wie sie sein möchte.

Das Problem liegt darin, dass die beiden Seiten, die konservative wie progressive, unbedingt das Recht und somit die Mehrheit behalten wollen. Die Mehrheit ist in der Demokratie nötig, denn nichts ist so lohnend, wie die Mehrheit.

Und Alle, die sich über das nichts sagende Büchlein da aufregen, sind echt nicht minder blond als die Frau Autorin.

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TV-Tipp: Der General

Heute Abend lauft bei Arte (22.05) ein Leckerbissen für alle Kinofans: Buster Keatons `Der General`.

Der Film ist ein absoluter Klassiker des Stummfilms, der sich mit den besten Filmen Chaplins messen kann. Buster Keaton, den die wahren Cineasten ohnehin dem Chaplin vorziehen, zündet hier ein Feuerwerk von unsterblichen Gags; besonders die Fahrt mit der Lokomotive, die ein Grossteil des Films andauert, ist in jedem Augenblick für eine urkomische Überraschung gut.

Kurz: ein amerikanischer Film in der allerbesten Bedeutung des Wortes.

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