(Lächerliches zum Nietzsches Todestag)
Lächerlichkeit 11
Wie man wird, was man ist
Den Kopf verloren
Sie hat jetzt Geist wie kams, daß sie ihn fand?
Ein Mann verlor durch sie jüngst den Verstand,
Sein Kopf war reich vor diesem Zeitvertreibe:
Zum Teufel gieng sein Kopf nein! nein! zum Weibe!
(Nietzsche `Fröhliche Wissenschaft`/ Scherz, List und Rache 50)
Ja, und kaum hat die Sammlerin so ein Exemplar Mann in ihrer Sammelalbe, so wollte sie ihn dort möglichst für immer behalten. Und bei Nietzsche gelang ihr das. Und zwar so, dass Nietzsche sich vor ihr niemals erholte. Und sie besass ihn sein ganzes Leben, Nie mehr ging sie aus seinem Kopf, so scheiterte er an ihr. Liest man in `Ecce Homo`, in seinem letzten Werk, kurz vor seinem Nervenzusammenbruch geschrieben, kann man erst erkennen, was Lou von Salome ihn angetan hatte. Als er da in Genua das Pferd küsste, hatte er eigentlich erkannt, dass er gescheitert ist, dass es ihm nicht gelungen ist, das zu sagen, was er eigentlich sagen wollte. Da hatte er so ein grosses Mitleid mit sich, dass er etwas davon auch für das Pferd erübrigen könnte, das da von dem besoffenen Kutscher gepeitscht wurde. Da hatte Nietzsche aufgehört zu kämpfen. Da fiel er dem Pferd um den Hals und weinte über sein und eigenes Schicksal.
`Ecce Homo` war sein letztes Aufbaumeln vor der Aufgabe. Schon der Untertitel verrät die Absicht des Autors, sich den Mut zuzusprechen: Wie man wird, was man ist.
Die einzelnen Kapitel verraten noch deutlicher, wie verzweifelt er sich selbst bestätigen möchte: (`Warum ich so weise bin`, `Warum ich so klug bin`, `Warum ich so gute Bücher schreibe`. `Warum ich ein Schicksal bin`. `Kriegserklärung`). Das schreibt ein Mensch, der vom Weib so besiegt wurde, dass er jegliche Achtung vor sich verlor. Mit diesem angeberischen Titeln versucht er, sich selbst wieder zu achten: schau nur, wie grossartig ich bin!
Grossartig war er, darüber gibt es keine Diskussion, kann es keine geben (es sei denn, man ist hirnamputiert). `Menschliches Allzumenschliches` sein erstes vollwertiges Werk steht für diese Behauptung. Da stimmt einfach jedes Wort (selbst wenn es nicht stimmt! [denn auch in diesem Fall stimmen ihre Hintergründe schon]). Kurz und Gut, das ist ein Hurrikan an Gedanken, der das alte Denken, eben das menschliche, allzumenschliche aus unseren Gedanken wegbläst.
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